Workshop zu Traumapädagogik für Schulen in der Ukraine
Viele Kinder in der Ukraine werden durch den Angriffskrieg in der Ukraine traumatisiert. Permanenter Stress, die schrecklichen Bilder des Krieges und gar der Verlust geliebter Menschen betrifft die Jüngsten in besonderem Maße. Unser Projekt Traumapädagogik bildet deshalb Lehrkräfte weiter, damit diese Traumata bei ihren Schülerinnen und Schülern erkennen und darauf eingehen können.
Bei unserem jüngsten Workshop im April 2024 in Warschau konnten wir 30 Teilnehmerinnen aus 15 ukrainischen Schulen begrüßen, darunter Lehrerinnen, Schulpsychologinnen und Schuldirektorinnen.
Sechs der 15 Schulen unterrichten ausschließlich Online, da sie sich in der Nähe zur Frontline befinden. Hier ist es besonders herausfordernd, betroffene Kinder zu erkennen und damit umzugehen, weshalb dies im Workshop besondere Berücksichtigung fand.
Mit dem Training wollen wir Lehrerinnen nicht nur den richtigen Umgang mit Kindern in Stress- und Traumasituationen sowie Möglichkeiten der Unterstützung vermitteln. Wir wollen auch die Bedeutung der Selbstfürsorge aufzeigen und den Lehrkräften helfen sich selbst „aufzutanken“. Und tatsächlich erwies sich die Woche in Warschau, auf sicherem Terrain, als echte Pause von den extremen Bedingungen, unter denen die Lehrerinnen leben. Für viele war dies die erste Reise seit Ausbruch des Krieges, für einige die erste Auslandsreise überhaupt. Durch ein sorgfältig gestaltetes und praxisorientiertes Programm, das mit dem Thema Resilienz und innere Ressourcen begann, konnten sich die Lehrerinnen ein wenig entspannen, und wir konnten sie lächeln, scherzen und aktiv am Training teilnehmen sehen. Die Arbeit an den nachfolgenden schwierigeren Themen – Arten von Traumata, Traumata bei Kindern, Prinzipien und Instrumente der traumasensiblen Pflege, emotionale Regulation und Arbeit mit den Eltern – war nach einem Tag der Selbstfürsorge viel fruchtbarer und konstruktiver.
Zu den üblichen Herausforderungen der Lehrer:innen traten mit Beginn der umfassenden Invasion spezifische kriegsbedingte Probleme hinzu. Dazu zählen Sicherheitsfragen, mehr Arbeitsstunden, die Unzufriedenheit der Eltern mit dem Online-Unterricht in Gebieten, in denen Schulen nicht offline arbeiten können; aber auch die geringe Lernmotivation der Schüler:innen, Angst und Verhaltensprobleme wie zu spätes Kommen, das Ignorieren von Aufgaben und Regeln, im Klassenzimmer umhergehen, aggressives oder apathisches Verhalten, manchmal sogar Mobbing. Die erworbenen Kenntnisse über die Prinzipien der traumasensiblen Betreuung werden den Lehrer:innen helfen, eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren Schülern aufrechtzuerhalten und mit den genannten Herausforderungen umzugehen.
Das Training selbst wurde auch dank der professionellen und offenherzigen Trainer:innen zu einem geschützten Raum – sie vermochten es eine Atmosphäre des Vertrauens und der Akzeptanz zu schaffen, und die Teilnehmerinnen spürten, dass sie ihre Gefühle, Ängste und schwierigen Erfahrungen untereinander und mit dem Team teilen konnten. Unser Trainer:innen-Team diente als Paradebeispiel für Resilienz, den Umgang mit extrem schwierigen Erfahrungen und der Fähigkeit, anderen zu helfen. Nach dem Training bewerteten die Teilnehmerinnen ihren emotionalen Zustand durchweg als verbessert. Wir sind uns sicher, dass sie diese Herangehensweise nach ihrer Rückkehr auch in ihre Schulen weitertragen werden.
Die intensiven Inhalte des Trainings wurden durch ein kulturelles Programm ausgeglichen. Eine Tour durch die Altstadt, ein Besuch des Königsschlosses, der königlichen Sommerresidenz und des Warschauer Museums halfen den Teilnehmerinnen, schwierige Gefühle, die im Laufe des Trainings aufkamen, zu verarbeiten. Warschau zu sehen, das fast vollständig zerstört und nun wiederaufgebaut ist, war ein wichtiges Symbol für Neubelebung und Wiederaufbau, und vermittelte ein Gefühl der Hoffnung für die Zukunft.
Iryna Byelova, Irpin:
„Was für mich persönlich besonders wichtig war, waren die praktischen Kniffe, die ich nutzen kann, um mir selbst zu helfen und mich zu unterstützen. Wir vergessen uns selbst oft, doch wir müssen uns daran erinnern: Wenn unsere Ressourcen voll sind, können wir anderen helfen.“
Ruslana Kovalchuk, Irpin:
„Mir haben alle praktischen Instrumente, die die Trainer mit uns geteilt haben, sehr gut gefallen – besonders Spiele, die mir geholfen haben, mich zu entspannen. Und ich bin sicher, dass sie bei den Kindern ein Hit sein werden.“
Natali Kudina, Orikhiv und Saporischschja:
„Wir arbeiten in der Zone militärischer Aktivitäten. Die Stadt, in der ich lebte, ist zerstört, auch die Schule hat nicht überlebt. Also verstehen wir, wie wichtig es ist, weiterhin mit den Kindern zu arbeiten – auf die Weise, die unsere Trainer:innen uns gezeigt haben, um unseren Kindern und Lehrern zu helfen, mit dem Luftalarm und der Angst umzugehen, denn Saporischschja liegt in der Nähe der Frontlinie.“
Oksana Kocherha, Region Charkiw:
„Zunächst habe ich jetzt erkannt, dass es notwendig ist, sich selbst mit Ressourcen zu füllen, um Kinder in Stress- und Traumasituationen zu unterstützen. Es ist sehr wichtig, sich trotz unserer zahlreichen sozialen, beruflichen und persönlichen Verpflichtungen Zeit für sich selbst einzuplanen. Was mich betrifft, so weiß ich bereits, was ich am Montag während meines Unterrichts tun werde, wenn ich zurückkehre – Atemübungen und Techniken um sich zu erden. Wir arbeiten online und ich hoffe, dass ich fühlen werde, dass meine Schülerinnen und Schüler hinter dem Bildschirm ruhiger, ausgeglichener und besser auf ein produktives Leben vorbereitet sind unter den Bedingungen, in denen wir uns befinden.“