Sozioökonomische Stabilisierung und Civic Education im Nordkaukasus 

Unser Projekt im Nordkaukasus konzentrierte sich auf Unterstützung und Empowerment von Frauen und jungen Menschen bei der Berufsorientierung und Existenzgründung. Zudem haben wir uns in der konfliktlösenden Jugendarbeit engagiert. 

Der Nordkaukasus blickt auf eine komplexe Geschichte zurück. In der Stalinzeit kam es zur Deportation ganzer Völker und willkürlichen Grenzziehungen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion erstarkende National- und Unabhängigkeitsbewegungen sowie aufflammende Gebiets- und Dominanzkämpfe sorgten für zahlreiche Gewalt, insbesondere die zwei Tschetschenienkriege hatten verheerende Folgen. Und so sind politische und ethnische Spannungen bis heute prägend und können bei konkreten Anlässen schnell eskalieren. In diesem herausfordernden Umfeld, welches durch den russischen Krieg gegen die Ukraine zusätzlich komplizierter wurde, setzte unser Projekt an mehreren zentralen Problemen an. 

Fehlende Perspektiven für junge Menschen 

Als eine der ärmsten Regionen Russlands ist der Nordkaukasus mit einer hohen Arbeitslosigkeit konfrontiert. Insbesondere jungen Menschen, die einen großen Anteil an der Bevölkerung ausmachen, mangelt es an Perspektiven für ihre Zukunft. Nicht zuletzt dadurch steigt aber auch die Gefahr politisch-religiöser Radikalisierung. 

Soziale und ökonomische Benachteiligung von Frauen 

Vor dem Hintergrund islamisch-konservativ geprägter Wertvorstellungen sind Frauen sozial und ökonomisch stark benachteiligt. Allgemein wird von Frauen erwartet, alle Arbeiten im Haushalt sowie in der Fürsorge für die Kinder zu erledigen. Verbreitete Subsistenzwirtschaft oder Heimproduktion bringen es mit sich, dass zahlreiche Frauen über strukturelle Überarbeitung und Erschöpfung klagen. Arbeitsdruck sowie die schwache soziale Stellung in Familie und Gesellschaft führen oftmals zu Zuständen starker psychischer Belastung, nicht selten bis zur Depression gesteigert. Alle Aspekte zusammengenommen haben zur Folge, dass viele Frauen in der Region über einen eklatanten Mangel an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen klagen. 

Berufsorientierung und Existenzgründung 

Um jungen Menschen und Frauen Perspektiven zu eröffnen, haben wir Berufsorientierungsmaßnahmen für junge Menschen angeboten. Außerdem boten wir Kurse zur Existenzgründung an, veranstalteten Wettbewerbe um den besten Businessplan, und berieten und begleiteten bereits gegründete Unternehmen. 

Mit unseren Maßnahmen versuchten wir insbesondere Frauen zu empowern. Die im Rahmen des Projekts geschaffenen Rahmenbedingungen, darunter Kinderbetreuungsangebote, hatten zur Folge, dass Frauen mehr als zwei Drittel der Teilnehmer:innen ausmachten. 

Konfliktbearbeitende Jugendarbeit 

Die eingangs erwähnten ethnischen und religiösen Konflikte destabilisieren die Gesellschaften des Nordkaukasus. Wir haben uns deshalb in der konfliktbearbeitenden Jugendarbeit engagiert.

Das wichtigste Fachwissen in diesem Bereich, mit besonderem Schwerpunkt auf der “Do No Harm”-Methodik, wurde von Expert:innen von YMCA Europe: Roots for Peace bereitgestellt. Zunächst brachten wir diese Expert:innen sowie Expert:innen aus dem Nord- und Südkaukasus zusammen. In einem Workshop wurde der Methodenkoffer ”Peacework Guidebook” (entwickelt von YMCA Europe: Roots for Peace) für die Durchführung von Jugendtrainings im Themenfeld Toleranz und Konfliktlösung an die Besonderheiten der Nordkaukasus-Region angepasst und ins Russische übersetzt. Mit diesem wurden Multiplikator:innen der Jugendarbeit geschult, die anschließend zahlreiche Seminare im Nordkaukasus durchführten. Das ”Peacework Guidebook” ist unter dem folgenden Link in englischer und russischer Sprache verfügbar: Peacework Guidebook – ROOTS (ymcaeurope.com)

Ergebnisse des Projekts 

Der Erfolg des Projekts hing vor allem mit dem großen Bedarf der Zielgruppen zusammen. Die Teilnehmer:innen waren hoch motiviert, ihre Lebenssituation zu verbessern. Gerade in Zeiten, in denen solche Angebote durch ausländische Stiftungen in Russland immer weiter zurückgehen und die Menschen das Gefühl haben, dass sich alle von ihnen abwenden, wurde unser Projekt sehr geschätzt. 

24 der im Projektzeitraum gegründeten Unternehmen arbeiten weiterhin und werden sich weiterentwickeln. Die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse der über 2000 Projektteilnehmer:innen werden ihnen bei der Berufsorientierung, der Arbeitssuche, der Gründung ihres Unternehmens oder dessen weiterem Aufbau helfen. 

Und auch das professionelle Netzwerk, das aus Spezialist:innen für die Unterstützung und Bildung von Kleinunternehmen besteht sowie aus den Trainer:innen in der Jugendarbeit, bleibt bestehen und dient als Stütze für die lokale Bevölkerung. 

Für viele war die Teilnahme bei den Maßnahmen eine einmalige Erfahrung. Sie erlaubte ihnen, den Wert von Persönlichkeit und Beziehung zu erfahren und gleichzeitig schwerwiegende soziale Probleme zu diskutieren. Dazu zählten Scheidungen in der islamischen Kultur oder häusliche Gewalt. Viele Teilnehmer:innen berichteten, dass ihnen im Rahmen der Workshops das erstem Mal in ihrem Leben auf Augenhöhe begegnet wurde. 

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