Umweltretter retten – Ökologiebewegung in Russland unterstützen

Die russische Klimaszene steht unter massivem Druck. Unser Projekt vernetzt sie mit deutschen und internationalen Umweltexpert:innen. Ziel ist es, die Forschung und Arbeit an umweltpolitischen Themen in Russland trotz der erschwerten Umstände fortführen und weiterentwickeln zu können.

Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine sind die zwischenstaatlichen Kooperationen im Klima- und Umweltbereich mit Russland praktisch zum Erliegen gekommen – dabei hat diese Thematik nichts von ihrer globalen Relevanz verloren. Dennoch hat die russische Regierung seit Kriegsbeginn speziell im Bereich des Umweltschutzes viele Anforderungen, Standards oder Kontrollmechanismen aufgehoben und zudem die Repression gegen Umweltaktivist:innen verschärft. Dies stellt die russische Ökologiebewegung vor neue Herausforderungen.

“Umweltretter retten” basiert auf den Erfahrungen und Studienergebnissen des Vorgängerprojekts „Stärkung des Umweltrechts in Russland“ und hat seine Arbeit im Frühsommer 2023 aufgenommen. Die Projektlaufzeit erstreckt sich bis Dezember 2024.

Umweltpolitische Szene in Russland stärken

Das Projekt zielt u.a. darauf ab, im Kontext des anhaltenden Krieges und trotz zunehmenden Drucks auf Aktivist:innen, die umweltpolitische Szene in Russland zu stärken und die Zusammenarbeit mit den Medien und verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen wiederzubeleben. Die russischen Umweltfachkräfte und Klimaaktivist:innen sollen dabei im Inland wie im Exil durch regelmäßige Vernetzungstreffen sowie professionelle Fortbildungsmaßnahmen zu Themen wie Energie, Klimagerechtigkeit oder Kriegsfolgen von einem internationalen Expert:innen-Netzwerk unterstützt und gefördert werden. Geplant sind beispielsweise monatliche Diskussionsforen zu neusten Entwicklungen und wie die russische Umweltbewegung mit diesen Veränderungen umgehen kann, und (Online-)Schulungen zu öffentlichem Monitoring von Umweltschäden mit dem Ziel, letzte zu dokumentieren und darauf aufmerksam zu machen. Außerdem soll ein mehrmonatiges Fellowship-Programm für russische Umweltexpert:innen in Berlin stattfinden, um sich international auszutauschen und voneinander lernen zu können.

Multilaterale Kooperation

Im Zuge der internationalen Vernetzung haben wir unser Kooperationsspektrum auch auf den Kaukasus ausgeweitet. Das sich im ökologischen Wandel befindende Armenien soll mittels unserer armenischen Partnerorganisation ebenfalls am globalen Klimadialog teilnehmen und gleichzeitig an Strategien zur Lösung lokaler Umweltprobleme arbeiten. Unser ortsansässiger Kooperationspartner beschäftigt sich seit 2018 u.a. mit der Analyse örtlicher Umweltschäden sowie mit globalen Klimafragen.

Mit diesem Projekt tragen wir dazu bei, dass die russischen, deutschen und armenischen Teilnehmer:innen in den Austausch kommen, tiefgehende Expertise generieren sowie effektive Lösungsansätze zu den drängendsten Klima- und Umweltfragen entwickeln. Mit der Umsetzung dieser Ansätze leisten sie, trotz des anhaltenden Krieges, einen Beitrag zur Entwicklung ihrer Zivilgesellschaften und öffentlicher Öko-Initiativen in den jeweiligen Ländern.

Das Projekt wird mit freundlicher Unterstützung vom Auswärtigen Amt durchgeführt.

„Es ist überaus wichtig, die Synergie zwischen denen aufrechtzuerhalten, die Russland verlassen mussten, und denen, die nach Kräften versuchen weiterzuarbeiten“ 

Neben dem fachlichen Austausch stiftet unser Engagement den Aktivist:innen Hoffnung und gibt das Gefühl, nicht allein gelassen zu werden. Dies berichtet nachfolgend eine Teilnehmerin eindrücklich:

„In Zeiten, die für uns alle schwierig sind, ist es nicht nur kompliziert, seine beruflichen Kontakte aufrechtzuerhalten und sich weiter in dem Umfeld zu engagieren, dem man viele erfolgreiche Jahre seines Arbeitslebens gewidmet hat. Es ist auch ganz allgemein schwer, das Vertrauen in sich selbst und den Glauben daran beizubehalten, dass alles verändert werden kann und vieles von den eigenen Anstrengungen abhängt. Deswegen ist und bleibt “Unterstützung” eine wertvolle Ressource. 

In den letzten Jahren hat die Fachwelt viele Menschen verloren – einige sind gegangen und haben ihr Tätigkeitsfeld gewechselt, andere sind bei ihrer Arbeit geblieben, jedoch mit einem angepassten Interessensschwerpunkt und deutlich limitierten Möglichkeiten. Daher machen wir uns immer mehr Gedanken darüber, wie man unter diesen neuen Umständen überleben kann, wie man die Verbindungen zu Menschen und Fachleuten aufrechterhalten kann, die all die Jahre eine starke Stütze waren, und wie man die eigene Motivation zur Förderung professioneller Ideen nicht verliert. 

Umweltfragen waren schon immer ein Paradebeispiel für inter- und supranationale Themen, bei denen die Gesellschaft gemeinsam handeln muss. Deshalb gab es auch in dieser Zeit eine leise Hoffnung, dass nicht alles verloren ist, dass alles wiederhergestellt und sogar gestärkt werden kann. So wurden internationale Beziehungen und Projekte vermehrt zu den Pfeilern unserer Hoffnung. 

Ein solcher Pfeiler ist das Projekt “Umweltretter retten – Ökoszene in Russland unterstützen”. Es hilft dabei, die besten Öko-Aktivist:innen, Fachleute, Umweltanwält:innen und weitere Expert:innen zu fachlichen Treffen und Diskussionen zusammenzubringen, damit die Umweltbewegung in Russland nicht völlig untergeht. Es ist überaus wichtig, die Synergie zwischen denen aufrechtzuerhalten, die Russland verlassen mussten, und denen, die nach Kräften versuchen weiterzuarbeiten. Die Expert:innen, die für dieses Projekt zu den zahlreichen Diskussionsforen, Webinaren und Schulungen eingeladen werden, wird man vermutlich zurzeit bei keinen Großveranstaltungen antreffen können, weshalb jedes “Kammer-Event”, das im Rahmen des Projekts organisiert wird, seinen eigenen großen Wert hat. 

Ich möchte auch anmerken, dass die Idee des Projekts, eher strategische Treffen zu veranstalten anstelle von Treffen, die auf die Lösung lokaler Umweltprobleme abzielen, aktuell einen besonderen Stellenwert für uns darstellt. Schließlich ist es gerade notwendig, an alles gleichzeitig zu denken – wir müssen viele Faktoren berücksichtigen, wie wir die jahrelange Arbeit bewahren können und nicht in einem Zustand stecken bleiben, in dem es weder Kraft noch Gelegenheit noch den Willen zur Veränderung gibt. Aus diesem Grund ist die Unterstützung durch dieses Projekt für uns substanziell. 

Ich wünsche uns allen viel Erfolg. Auf weitere Treffen, Programme und gemeinsame Pläne!“ 

Weiteres Feedback zu unserem Projekt

Wer sich in Russland für den Schutz von Klima und Umwelt einsetzt, musste das russische Regime schon vor dem russischen Überfall auf die Ukraine fürchten. Doch mit Kriegsausbruch hat sich die Situation weiter verschlechtert. Neben der ständigen Angst vor Repressionen droht nun auch eine weitgehende Isolation von internationalen Diskursen über Klima- und Umweltschutz. Hier setzt unser Projekt „Umweltretter retten“ an. In Online-Veranstaltungen vernetzen wir russische Aktivist:innen untereinander und mit Expert:innen aus aller Welt. Zum Schutz der Teilnehmer:innen und unserer russischen Partnerorganisationen können wir nur sehr eingeschränkt über unsere Aktivitäten berichten. Aber wir haben um Feedback gebeten, und dieses geben wir hier anonymisiert wieder:

„Für NGOs, die sich mit Klimafragen befassen, ist es sehr wertvoll,  mit Hilfe unseres Projekts fachliche Unterstützung zu erhalten. In den Rückmeldungen heißt es, dass es für sie sehr wichtig ist verschiedene Expert:innen zu hören, Nachfragen stellen zu können und zu verstehen, was in Russland in der Klimapolitik und -praxis tatsächlich getan wird.

Wir haben zum Beispiel die Rolle der Wälder und Feuchtgebiete bei der Absorption von Treibhausgasen thematisiert. In Russland liegt der Anteil der erneuerbaren Energien derzeit bei 1 Prozent. Russische Politiker:innen meinen, dass wir keine großen Anstrengungen zur Verringerung der Emissionen im Energiesektor unternehmen müssten, und den Übergang von fossilen Brennstoffen (insbesondere Gas) zu erneuerbaren Energiequellen nicht forcieren können–. Sie sind der Meinung, unsere Wälder werden das gesamte überschüssige CO2 aufnehmen. Selbst auf der UN-Klimakonferenz behaupten die Vertreter:innen der russischen Delegation, dass Russland der ganzen Welt CO2-Absorption auf Kosten der russischen Wälder "schenkt".

Die Expert:innen, die auf unserem Diskussionsforum sprechen, zeigen das wahre Bild: Die CO2-Absorption der russischen Wälder nimmt nicht zu, manchmal sogar ab, und große Flächen leiden unter Bränden und unerlaubtem Holzeinschlag. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden um die Wälder zu erhalten, damit ihre CO2-Aufnahme zumindest nicht sinkt. Und das bedeutet, dass die Maßnahmen im Energiesektor zur Verringerung der Emissionen, sowohl bei der Energieproduktion als auch beim Verbrauch, verstärkt werden sollten.

Podiumsdiskussionen sind wertvoll, um den Dialog verschiedener Expert:innen zu hören, verschiedene Ansichten zu vergleichen, Fragen zu stellen.So können wir verstehen, was getan werden muss, um die Klimakrise zu überwinden, was wir selbst in der Klimaproblematik tun können, wie wir die Menschen über dieses komplexe Thema informieren können, und wie man Mythen entlarvt, die gewöhnlich davon überzeugen, dass nichts getan werden sollte.

„Lokale Nichtregierungsorganisationen und engagierte Bürger:innen (und sogar lokale Gemeinden) reagieren sehr positiv auf unsere Arbeit, dieUntersuchungen zur Wasserqualität. Manchmal bitten sie uns, Erhebungen an bestimmten Flüssen durchzuführen. Oft bitten lokale Aktivist:innen auch um methodische Unterstützung und Hilfsmittel, und beginnen dann damit, selbst Untersuchungen an ihren Flüssen, Seen und Wasserquellen durchzuführen. Die Teilnahme an unseren Schulungen hilft ihnen, ihre Gewässer besser zu untersuchen und zu verstehen, was zu tun ist, wenn sie eine Verschmutzung feststellen. Auf Ersuchen einer unserer Partner halfen wir ihnen bei der Durchführung von Labortests, und auf Grundlage dieser Ergebnisse - die Tests zeigten eine Wasserverschmutzung - wandten sie sich an die Behörden und drängten darauf, die Verschmutzungsursachen zu finden und zu beseitigen.“

„Wir bieten selbst Beratungen an. So wurden wir zum Beispiel von einer Tierschutz-NGO konsultiert. Sie begannen die Auswirkungen der Viehzucht auf das Klima zu untersuchen und wollten dazu aufrufen, den Fleischkonsum zu reduzieren und zum Vegetarismus überzugehen. Aber auf unseren Rat hin begannen sie, sich umfassender mit dem Thema zu befassen, wie man tierische Abfälle recyceln kann, so dass sie weniger Auswirkungen auf das Klima haben. Wir berieten sie über die Kreislaufwirtschaft in der Viehzucht, über die Verarbeitung von Gülle zu Biogas und über Best-Practice-Beispiele aus den europäischen Ländern. Mittlerweile haben diese Aktivist:innen das Thema sehr gut aufgegriffen und begonnen auf verschiedenen Plattformen zu sprechen, auch auf Regierungsebene, um Klimalösungen mit tierischen Abfällen zu fördern.“

„Unsere Zielgruppe ist sehr daran interessiert, lokale grüne und klimafreundliche Lösungen umzusetzen. Während der Schulungen "Grüne Lösungen in Haushalten und lokalen Gemeinschaften" bekommen sie ein Verständnis dafür, welche "Vorteile" diese Lösungen bieten. Dabei geht es nicht nur um die Verringerung des ökologischen Fußabdrucks ihrer Haushalte oder Bauernhöfe oder anderer kleiner Organisationen in ländlichen Gebieten, sondern auch um die Verbesserung ihres Images und die Schaffung von komfortablen und attraktiven Bedingungen für die Landwirtschaft. So hat beispielsweise ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb mit Hilfe unserer Beratung bereits einen ökologischen Standort für die Lagerung und Kompostierung von Gülle eingerichtet - und andere sind bereit, dies zu tun. Mehr als 20 Einrichtungen (lokale NGOs, private Museen, Fremdenverkehrsorte, Imkereien, Bauernhöfe usw.) haben umweltfreundliche Trockentoiletten mit Kompostierung anstelle von Grubenlatrinen eingerichtet und kompostieren nun Lebensmittel- und Gartenabfälle zur Herstellung von organischem Dünger. All diese Aktivist:innen sind zugleich auch zu Multiplikator:innen geworden,die diese ökologischen und klimafreundlichen Lösungen weitertragen und mit eigenen Erfahrungen untermauern. Und sie wollen weiter zusammenarbeiten, Informationen einholen und neue grüne Lösungen umsetzen. Und auch alle diese Orte haben nicht nur Öko-Lösungen an ihren Standorten umgesetzt, sondern verbreiten die Informationen darüber an Anwohner:innen und Besucher:innen.“

„Im Rahmen des Themas "Grüne Lösungen" wurden viele dringende Fragen erörtert: die Grundsätze des nachhaltigen Tourismus und Möglichkeiten zur Umsetzung von Umweltlösungen in der Praxis; wie Natur, Geschichte, Kultur, Umweltlösungen und Öko-Stil an touristischen Stätten zusammenhängen; wie sich Land-, Agrar-, Öko- und Naturtourismus überschneiden; was die Einzigartigkeit des ländlichen Ökotourismus ausmacht; wie und warum man ein Öko-Image entwickeln sollte; wie man Umwelterziehung umsetzen und die Umweltmerkmale von touristischen Stätten für potenzielle Tourist:innen attraktiv machen kann, und wie man ländlichen Ökotourismus fördern und bewerben kann.“

„Die Anwohner:innen, die all diese ländlichen Öko-Projekte organisieren und umsetzen, sind wirklich außergewöhnliche Menschen. Sie sind stark, geduldig, positiv, Realist:innen und Romantiker:innen zugleich... Das ist ermutigend, offen gesagt. Es ermutigt vor allem städtische "Treibhaus"-Menschen, die nicht darüber nachdenken müssen, woher das Wasser kommt, wohin das Abwasser geht, wohin der Abfall geht, woher die Energie kommt, usw. Und das ist der wahre Kern eines nachhaltigen Wandels für die Zukunft. Generell trägt die Kommunikation innerhalb des Projekts dazu bei, gegenseitige Unterstützung nicht nur unter den NGO-Aktivist:innen zu spüren, sondern auch unter ganz normalen Einwohner:innen, die etwas zum Besseren verändern wollen - nach Aussage der Projektteilnehmenden inspiriert sie das sehr.“

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Our colleague Angelina Davydova was recently interviewed by the Youtube channel “People Live Here.” along with Sergey Rumyantsev, a sociologist and member of the Berlin Center for Independent Social Research. The topics are shared memory and hidden consequences of conflicts.

#urr
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4 weeks ago

On September 27th, 2024, the conference "WARning the City/zens - How Do Military Conflicts Affect Cities, People, and the Environment?" took place, which we organized in collaboration with the Berlin Center for Independent Social Research (CISR e.V.). Thanks to this cooperation, we successfully brought together two professional groups – urbanists and ecologists. The day was filled with exciting topics, profound discussions, and an inspiring exchange between experts and participants.

Around 100 guests and 33 speakers from various countries gathered to openly and trustingly discuss pressing global challenges. We would like to extend our thanks to the German Foreign Office for their kind support.

Here are some more detailed comments from speakers and attendees of the conference.

Special thanks to: Elena Stein, Oleg Pachenkov, Angelina Davydova, Arsen Simonyan, Roman Elsner, Lilia Voron, Prodeform - Professional Development Platform, CISR e.V..

#CivilSocietyCooperation #urr
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2 months ago
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